Systematische Theologie

Systematische Theologie

Lässt sich beweisen, dass Gott existiert? Führen alle Religionen zu Gott? Ist die Bibel unfehlbar? Warum lässt Gott das Leid zu? Wie kann Gott zugleich drei und einer sein? Ist der Christus, den uns die Bibel zeigt, der wirkliche, historische Jesus? Wo finden wir die wahre Kirche? Was nützt uns das Abendmahl? Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod? ...

Diese und ähnliche Fragen sind es, die in der Systematischen Theologie gestellt und zu beantworten versucht werden. Sie tauchen immer dann auf, wenn gläubige Menschen ihren Glauben so darlegen wollen, wie sie ihn selber verstanden haben. In der Systematischen Theologie üben wir also, den verbindlichen Inhalt des christlichen Glaubens aus unserer heutigen Sicht zu formulieren, und zwar unter Rückgriff auf die Bibel, die kirchliche Lehrüberlieferung, die Vernunft und die Erfahrung.

Innerhalb der Systematischen Theologie unterscheidet man noch einmal die beiden Teilgebiete Dogmatik und Ethik. Im Wort Dogmatik steckt der griechische Begriff „Dogma“, der eben den verbindlichen Inhalt des christlichen Glaubens meint. In der Dogmatik wird dieser Inhalt dargestellt und begründet. Aus dem, was ein Christ glaubt, was er also als wahr anerkennt und worauf er sich verlässt, folgt immer auch ein bestimmtes Verhalten. Unsere christliche Überzeugung kann und soll Konsequenzen für die Praxis haben. Und mit diesen Konsequenzen befasst sich die Ethik.

Die Frage nach dem Inhalt des christlichen Glaubens und den daraus folgenden Konsequenzen für unser Handeln scheint manchen Christen schon mit dem Vorhandensein des Neuen Testaments beantwortet zu sein: Da steht alles drin, was wir glauben können und tun sollen. Das ist jedoch eine kurzschlüssige Antwort. Adolf Schlatter, der von vielen bis heute hochgeschätzte Bibelausleger, war fest davon überzeugt, dass die Aufgabe der Theologie nicht schon damit erfüllt ist, dass wir erfahren, was die Schrift sagt. Vielmehr müssten wir immer auch fragen, "was die Schrift uns sage", das heißt wir müssten auch klären, "wie sich das, was (das Neue Testament) uns vorhält, zu unsrem eignen geistigen Besitz verhalte" (Die Theologie des Neuen Testaments und die Dogmatik, 1909, 29-31). Unser geistiger Besitz stammt aus einer Geschichte und Lage, die mit der des Neuen (und Alten) Testaments nicht identisch ist und die darum einer eigenen Untersuchung bedarf. So ist Schlatter nicht nur Bibelausleger gewesen, sondern auch Systematischer Theologe - in seiner Person sowohl Zeuge für die Notwendigkeit der Arbeitsteilung in der Theologie als auch für die Zusammengehörigkeit der Disziplinen.

Auf die Fragen nach Inhalt und Begründung des Glaubens antwortet natürlich auch eine gute Predigt, der Unterricht in Gemeinde und Schule und manches seelsorgerliche Gespräch. Aber der Systematischen Theologie ist es aufgetragen, sich den Fragen nicht nur von Fall zu Fall, sondern so umfassend und methodisch nachvollziehbar zu stellen, dass die praktische Arbeit in der Gemeinde darin eine stabile Grundlage findet.

Gerade die missionarische Aufgabe macht die Systematische Theologie notwendig. Zur Mission gehört immer die Übersetzung der christlichen Botschaft in eine neue Sprache und damit eine andere Kultur und Denkweise. Um übersetzen zu können, muss man aber nicht nur die Sprachen beherrschen, sondern auch ein Verständnis für die Sache haben, um die es inhaltlich geht. Wenn man die christliche Botschaft nur in vertrauten Worten weitergeben kann, ist eine Übersetzung praktisch unmöglich, und wenn man nach neuen Worten sucht, muss man sich fragen, ob mit ihnen das Gemeinte auch angemessen gesagt wird. Aber was ist denn das in der Bibel und der christlichen Lehre Gemeinte? Das eben fragt die Systematische Theologie, und lehrt damit, zwischen Konstante und Variable, zwischen dem zeitübergreifenden Wesen des Glaubens und seiner wechselnden geschichtlichen Gestalt zu unterscheiden.

Darum kann die Gemeinde diese besondere Disziplin der Theologie nicht entbehren. Sie kann es aber noch aus einem weiteren, letztlich entscheidenden Grund nicht. Der Glaube selbst verlangt nämlich nach dem Verstehen. Biblischer Glaube will nicht aus träger Gewöhnung oder in blindem Gehorsam übernommen werden, sondern innerlich überzeugen, in voller geistiger Wahrhaftigkeit angenommen werden. Das geht aber nur, wenn es eine überzeugende Verhältnisbestimmung gibt zwischen dem, was uns das Evangelium sagt, und dem, was uns ansonsten einleuchtet und gewiss zu sein scheint. Um diese Verhältnisbestimmung bemüht sich speziell die Systematische Theologie.

Und warum heißt sie "systematische" Theologie? Eben wegen ihres Bezuges auf die Wahrheitsfrage. Wahrheit erweist sich nämlich in der Einheit des Erkennens, im Zusammenstimmen alles dessen, was als gültig angesehen wird. Wenn es nun gelingt, die verschiedenen Glaubensinhalte systematisch, nämlich im Zusammenhang und als innere Einheit darzustellen sowie ihr Zusammenstimmen mit allem sonstigen Wissen herauszuarbeiten, dann entsteht begründete Gewissheit, dass die christliche Lehre wahr ist.

Die Zielsetzung des systematisch-theologischen Fachstudiums im Ganzen der Studiengänge an der Theologischen Hochschule Elstal kann im Wesentlichen heute noch so formuliert werden, wie es mein Vorgänger Eduard Schütz im Studien- und Prüfungsordnungsheft 1982 getan hat.

Als Kenntnisse, die vermittelt werden, nennt er: "1. Das Ganze des christlichen Glaubens im Überblick sowie Lehrstücke der Dogmatik, vor allem solche, die für die freikirchliche Existenz wichtig sind; 2. ausgewählte dogmatische Entwürfe, die in der geistigen Auseinandersetzung der Gegenwart hilfreich sein können; 3. Typen evangelischer Ethik in ihrer Bedeutung für die Gestalt der Nachfolge Christi und das Handeln der Gemeinde angesichts der gesellschaftlichen Situation."

Fähigkeiten, die erworben werden sollen, sind: "1. Integration der vielfältigen Erkenntnisse theologischer Fachbereiche, angemessenes Fragen nach der heute verbindlichen Wahrheit; 2. eigenständige Beurteilung verschiedener Lehrmeinungen, ihrer biblischen Begründungen, ihrer methodischen Voraussetzungen und ihrer Bedeutung für unseren freikirchlichen Auftrag, 3. kritisches Gespräch mit nicht-theologischen Wissenschaften, Denksystemen und Weltanschauungen, 4. Anleitung zum Bekennen des Glaubens und zu einem Lebensstil, der dem Evangelium gemäß ist."

Glauben, Denken, Handeln