Abschluss der deutsch-haitianischen Kooperation

Zum Abschluss der deutsch-haitianischen Kooperation reist eine Delegation des deutschen Bundes nach Haiti

Schwül-heiße Luft schlägt uns beim Verlassen des Flugzeugs entgegen. Vor uns eröffnet sich der Blick auf die Berge um Cap-Haitien, beißender Rauch von kleinen brennenden Müllhaufen steigt in die Nase. Zurück in Haiti. Mehr als sechs Jahre ist es her, dass Michael Kißkalt und Ekkehard Becker das erste Mal nach Haiti gereist sind, um mit Vertretern der Convention Baptiste d’Haiti Projekte zur Entwicklung auszuwählen, die den Menschen nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 helfen sollen. So begann die auf sechs Jahre vereinbarte Kooperation zwischen deutschem und haitianischem Baptistenbund und ihren beiden Ausbildungsstätten, der Christlichen Universität von Nordhaiti (UCNH) und der Theologischen Hochschule Elstal. Nun reisen Michael Kißkalt und Stefanie Desamours erneut nach Haiti, um die Projektpartner zu treffen und die Kooperation zu evaluieren.

Im Schneckentempo holpern wir durch die Schlaglöcher oder umfahren sie im Slalom, rechts und links überholt von voll besetzten und beladenen Moped-Taxis. Die Straßenbauarbeiten auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung ziehen sich in die Länge. Die Arbeiten wurden aufgrund der politischen Situation und Unruhen in den letzten Jahren häufig unterbrochen. An vielen Stellen ist keine Straße mehr vorhanden und die Fahrten dauern so um ein Vielfaches länger. Uns erscheint es unvorstellbar, dass viele Menschen diese Strecke täglich zurücklegen, um zur Arbeit zu fahren oder ihre Kinder zur Schule zu bringen. Auch viele Studierende der UCNH sind täglich unterwegs, weil es nicht genügend Wohnheimplätze auf dem Campus gibt. Seit dem Erdbeben ist die Universität kontinuierlich gewachsen. Die Zahl der Studierenden ist seit 2010 von 400 auf inzwischen 1600 angestiegen. Sie gehört zu den fünf besten Universitäten im Land.

Wohin wir auch kommen, werden wir herzlich empfangen. Es wird einmal mehr deutlich, dass die Kooperation nicht nur aus der finanziellen Unterstützung bestand, sondern auch ein großes Zeichen der Solidarität für die Haitianer darstellte. Durch die gegenseitigen Besuche sind über die Jahre Beziehungen und Vertrauen gewachsen. Die Kontinuität der Unterstützung war eine große Hilfe für die Partner, denn so konnten sie verlässlich planen.  

Die Schönheit der Natur steht im krassen Kontrast zur großen Armut. Veränderungen sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Aber wir sind beeindruckt von der großen Willenskraft und dem unermüdlichen Einsatz unserer Partner, trotz der schwierigen Lage ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die Baptistengemeinden sind in der Evangelisation und in der Entwicklungsarbeit sehr engagiert. Wir besuchen zwei Gemeindegründungen, die in den letzten sieben bzw. zehn Jahren jeweils auf 600 Mitglieder gewachsen sind. Diakonisches Engagement  ist dabei eine Selbstverständlichkeit. In vielen Gemeinden organisieren sich Frauen in Selbsthilfegruppen und geben sich mit selbst erspartem Geld gegenseitig Kredit. Damit können sie ein kleines Geschäft eröffnen, verdienen mehr Geld für die  Familie und um das Schulgeld für die Kinder zu bezahlen. Umgerechnet nur wenige Euro machen hier schon einen Unterschied für eine Familie und langfristig für einen ganzen Stadtteil. Die Frauen in der Gemeinde Bas-Limbé sind mittlerweile so erfolgreich, dass auch die Männer angefangen haben, sich in Selbsthilfegruppen zu organisieren. An der landwirtschaftlichen Fakultät der UCNH werden für die Kleinbauern der Region Kurse in Gemüseanbau und in der Pflege des Ackerbodens angeboten. In der Gegend um Haut-Limbé war vor wenigen Jahren noch kaum Gemüseanbau zu finden. Nun lernen die Bauern, welche Pflanzen sie zusammen anbauen müssen, um den Boden fruchtbar zu erhalten und kontinuierlich verschiedene Produkte ernten zu können. Anstatt Gemüse und Obst auf dem Markt zu kaufen, können sie nun selbst ernten oder gar verkaufen und haben mehr Geld zur Verfügung. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherung. Nach Ende der Kooperation geht dieses Programm weiter, indem Studierende der landwirtschaftlichen Fakultät für ein Praktikum zu den Kleinbauern gehen und ihnen dieses Wissen vermitteln. Daniel Louis, der in Elstal seinen Master in Freikirchlicher Diakonie erworben hat, unterrichtet mittlerweile das Fach an der Christlichen Universität und berät Gemeinden, wie sie sich in ihrem diakonischen Engagement besser aufstellen können. Der Besuch in Haiti bot für die Studierenen der theologischen Fakultät auch die Möglichkeit Seminareinheiten von Michael Kißkalt zu besuchen. Zwei Einheiten behandelten das Thema "Interreligiöse Begegnung": Am Beispiel des Islams wurden Möglichkeiten und Konfliktfelder der interreligiösen Begegnung aufgezeigt, der Hauptschwerpunkt lag jedoch auf der, für die dortigen Christen besonders relevanten, Begegnung mit Vodooanhängern in Haiti. Weitere zwei Seminareinheiten zum Thema "Missionsdimensionen" sollten unterschiedlichen missiologischen Perspektiven aufzeigen, beispielsweise die evangelistische, diakonische oder prophetische Mission der Kirche als Abbild der Mission Gottes.

In allen Begegnungen wird deutlich, dass auch nach dem Ende der Kooperation die Verbundenheit beider Partner bestehen bleiben wird. Darüber hinaus haben die Hochschule Elstal und die UCNH einen neuen Kooperationsvertrag unterzeichnet, in dem die beiden Institutionen den weiteren wissenschaftlichen Austausch vereinbaren.

Michael Kißkalt und Stefanie Desamours

Glauben, Denken, Handeln