Michael Kißkalt zu Besuch am Ghana Baptist University College

Kirche, Mission und Korruption in einem hochreligiösen Land -
Ein Bericht von Michael Kißkalt zum Besuch am Ghana Baptist University College in Kumasi (Ghana) vom 26.01.2019 bis zum 06.02.2019

Es ist noch Nacht, 5 Uhr morgens. Ich wache auf und höre eine lautstarke predigende Stimme, eindringlich und fordernd. Die öffentlichen Lautsprecher der Info-Center im Viertel sind nun angeschaltet, zuerst für die Morgenpredigt des Pfingstpastors, dann für den Gebetsruf des Muezzins. Ja, die Menschen in Ghana sind sehr religiöse Menschen! Was bedeutet Mission in diesem Kontext?

Ich war an das Ghana Baptist University College (GBUC) eingeladen, um im Rahmen des Master of Ministry-Kurses Pastorinnen und Pastoren, die sich weiterqualifizieren wollen, in Missiologie zu unterrichten. Der Unterricht erfolgte von Montag bis Freitag, 7h/Tag. Für die Studierenden war es die zweite von insgesamt sechs Intensivwochen, deren Inhalte in der siebten als Prüfungswoche abgefragt werden. Natürlich versuchte ich, das Seminar so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, damit wir alle diese lange Studienzeit pro Tag gut durchhalten konnten, auch in der ghanaischen Hitze. Die hochinteressierten und engagierten fünfzehn Studenten (in meinem Kurs waren es tatsächlich nur Männer) machten mir die Aufgabe leicht. Dass wir die Sitzordnung erst einmal in U-Form brachten, war für sie zwar neu, aber sie ließen sich dankbar auf das dadurch erleichterte Palaver ein. Den Tiefgang und den Kenntnisreichtum in den Diskussionen empfand ich als sehr bereichernd. Ihr Witz und Humor und mancher Hang zur Theatralik brachte uns alle immer wieder zum Lachen. Ich thematisierte die theologischen Inhalte in Zusammenhang mit meinen Erfahrungen in Deutschland und in Kamerun; die Studenten verbanden dies gekonnt mit ihrem Erleben in Ghana. Darüber hinaus kümmerten sich die Studierenden während der Seminarwoche um mein leibliches Wohl: Sie versorgten mich wunderbar mit Essen und Trinken, vor allem, wie ich es gewünscht hatte, mit ganz viel tropisch-frischem Obst!

Das Theologische Seminar befindet sich am westlichen Stadtrand von Kumasi und ist die Keimzelle der Universität, inzwischen aber eine nur kleine Abteilung des GBUC. Das Seminar zählt 100 Studierende in verschiedenen, sehr flexibel aufgebauten, theologischen (teils Präsenz-, teils Teilzeit- oder Fern-) Studiengängen: Diploma of Theology; B.Th.; M. of Ministry, M.Th. (im Aufbau). Ihr Hauptgebäude hat die Universität inzwischen in der City, wo die weiteren Fakultäten der Universität, z.B. Administration oder Business, ihren Sitz haben und sehr viel mehr Studierende zählen. Insgesamt umfasst die GBUC 1000 Studierende. Geleitet wird sie von Präsident Dr. Yaw Adu-Gyamfi, Baptistenpastor und Professor für Altes Testament. Aufgrund finanzieller und personeller Einschränkungen hat die Baptist University bisher nicht den Status einer selbständigen Universität erlangt, sondern wird noch als College der Cape Coast University geführt. Das bedeutet z.B., dass alle Prüfungsabläufe und -ergebnisse von der Cape Coast University begutachtet werden.

Ein besonderer Höhepunkt war die gesamtuniversitäre Konferenz zum Thema „Corruption and Nation Building. A Critical Christian Response“ am Montagabend, 16.00 bis 20.00 Uhr. Korruption ist in Ghana ein allgegenwärtiges brisantes Problem, das die Entwicklung des Landes stark ausbremst. In meinem Referat zum Thema „Corruption from the Perspective of Missions“ wies ich auf die Verflechtung von Mission und Korruption seit den Anfängen der Missionsgeschichte hin und darauf, wie moderne internationale Missionsgesellschaften heute versuchen, das Problem zu bewältigen. Andere Referenten gaben Impulse aus biblischen und auch aus zivilgesellschaftlichen Perspektiven. Dabei lernte ich, dass es ein rühriges baptistisches Netzwerk gegen Korruption in Ghana gibt. Die Ghana Baptist Convention mit 400.000 Mitgliedern ist eine der einflussreichen, großen Kirchen in Ghana; aus ihren Reihen kommt auch der Präsident des dortigen Ökumenischen Rates.

In Kumasi, 300 km nordwestlich von Accra, mit 3 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Ghanas und Sitz des einflussreichen Könighauses der Aschanti, lernte ich große Baptistengemeinden kennen. In direkter Nachbarschaft zur Baptistischen Universität in der City befindet sich die größte Baptistengemeinde Kumasis mit einem großen Kirchsaal für 2.500 Menschen. Jeden Sonntag werden drei Gottesdienste gefeiert, damit die 4.000 Mitglieder in einem der Gottesdienste Platz finden. Geleitet wird die Gemeinde von einem Team von Pastorinnen und Pastoren. Pastorin Mary Fosu, deren Mann gerade in Hamburg an der Theologischen Fakultät promoviert, ist für die Jugendarbeit (500 Mitglieder) verantwortlich. Wie in vielen anderen Baptistengemeinden befindet sich auf dem Gelände auch eine Primary School für hunderte von Kindern. Eine willkommene Pausenbeschäftigung ist das Fußballspielen bei den Kindern. Als ich dort gerade zu Besuch war, spielten sie mit einer Orange als Fußball, unterbrachen aber ihr Spiel, um meine weiße Haut zu berühren und meine „seltsamen“ glatten Haare anzufassen.

An meinem letzten Sonntag in Ghana wollten meine Gastgeber, dass ich sechs Gemeindegründungen „im Busch“ im Westen Kumasis kennenlerne. Mit dem entsprechenden Geländewagen kam man gut überall hin. Die jeweiligen Gottesdienste waren so organisiert, dass ich in jeder Gemeinde ca. 15min predigen konnte. Mein Englisch wurde von dem Missionsleiter der Kumasi-Region in die Twi-Sprache übersetzt. Wieder war ich sehr beeindruckt, wie fröhlich, freundlich und offen mir die Menschen, die meist als Kakaobauern ihren Lebensunterhalt verdienen, in den Gemeinden begegneten.

Die Menschen in Ghana sind ausgesprochen religiös veranlagt; es gibt neben einigen Moscheen unglaublich viele Kirchen. Die am stärksten wachsenden Kirchen sind Pfingstkirchen, die von charismatischen Persönlichkeiten geführt werden und den Menschen oft Heilung und Wohlstand versprechen, wenn sie sich unterordnen und finanziell für die Gemeinde und damit für den Pastor engagieren. Hier liegt ein ganz besonderes Problem der Korruption im kirchlichen Kontext vor.

Ganz anders erlebte ich am Anfang meiner Reise die Kirche New Life Church in Tema bei Accra. Die ghanaische New Life Kirche nahm vor vielen Jahren mit Vater Robert Aidoo ihren Anfang in Tema, bis dann der Sohn und jetzige Hauptpastor Richard Aidoo nach Deutschland kam und in Düsseldorf die New Life Church gründete, die sich dann internationalisierte und dem BEFG anschloss. Der Sitz der New Life Church wanderte also mit den Migranten und ihrem Missionar von Ghana nach Deutschland. Als Leiter der dortigen New Life Gemeinden mit Hauptsitz in Ghana und mit ungefähr 600 Mitgliedern wurde Pastor Anim eingesetzt. Von ihm wurde ich sehr herzlich empfangen und umsorgt. In den beiden Gottesdiensten am Sonntagvormittag hielt ich jeweils die Predigt. Ich empfand die Gottesdienste denen in Düsseldorf als sehr ähnlich, nur in der Art der Gesänge und Tänze und in der Hochachtung, die die Menschen ihrem Pastor entgegenbringen, viel afrikanischer geprägt. Auch hier gehören eine Schule und weitere soziale Einrichtungen selbstverständlich zum Gemeindeleben dazu.

Ein kultureller Höhepunkt der Reise war für mich der Besuch der Festung in Elmina, westlich von Cape Coast, an der ehemaligen Goldküste. Sie ist eine von vielen, bis heute gut erhaltenen „Sklavenburgen“ in Ghana. Errichtet wurde sie im 15. Jahrhundert von den Portugiesen als Militär- und Handelsstützpunkt, dann ging sie in holländische und schließlich in englische Hände über. Von hier aus wurden tausende afrikanische Sklaven, die die Qualen der Gefangenschaft überlebt hatten, durch die „Door of no Return“ in die Kolonialgebiete der Karibik verschifft. Von einem Einheimischen wurde ich durch die alten Gemäuer geführt: von den Sklavenkerkern bis zur Gouverneurssuite in den oberen Geschossen. Das Bibelwort nach Psalm 132,14: „Hier ist das Haus des Herrn, hier wohnt Gott“ in der holländischen reformierten Kirche direkt über den Sklavenkellern machte mich sprachlos. Wie blind und taub kann man die Bibel lesen? Und mir stellt sich die Frage: Wo sind wir heute blind und taub?

Die Kooperation mit dem Ghana Baptist University College verbindet die Theologische Hochschule Elstal mit einer dynamischen Kirche und Universität in einem sich entwickelnden afrikanischen Land mit großer Offenheit für Impulse aus Europa, die im Geist der Brüderlichkeit vermittelt werden.

Glauben, Denken, Handeln