Ökumenische Theologie in multilateraler Perspektive

Institut für Baptismusstudien, Systematische Theologie

Projektleiter: Prof. Dr. Ulrike Link-Wieczorek (Oldenburg), Prof. Dr. Thomas Söding (Bochum), Prof. Dr. Bernd Oberdorfer (Augsburg), Prof. Dr. Uwe Swarat (Elstal)

Zusammenarbeit: : Deutscher Ökumenischer Studienausschuss, Evangelisch-theologische und Katholisch-theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Katholischen Akademie in Bayern, Evangelischen Akademie Tutzing, Evangelisch-Theologische und Katholisch-Theologische Fakultät sowie die Einrichtung für orthodoxe Theologie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Fördereinrichtungen: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland

Laufzeit: Seit 2005

Beschreibung: Seit die Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung 1927 aus ihrer ersten Weltkonferenz entstand, wurde das vermittelnde Gespräch über theologische Faktoren der Kirchenspaltungen (die sog. Dialogökumene) in multilateraler Form, d.h. unter Beteiligung einer Vielzahl kirchlicher Traditionen geführt. Evangelische, freikirchliche, anglikanische, orthodoxe und katholische Theologen waren und sind daran beteiligt. Seit Ende der 60ger Jahre des vorigen Jahrhunderts fanden auch zahlreiche bilaterale Dialoge statt und erwiesen sich bei bestimmten Kontroversfragen als besonders fruchtbar. Dennoch lassen sich auch weiterhin durch multilaterale Gespräche Perspektiven entwickeln und Erkenntnisse gewinnen, die anders nicht zustande kämen. Ökumene bedeutet mehr als ein Zweiergespräch. Das gilt auch für Deutschland, in dem aus historischen Gründen die evangelischen Landeskirchen und die katholische Kirche nahezu gleich stark sind und erheblich größer als alle anderen Kirchen.

Die multilaterale Ökumene ist in Deutschland innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen organisiert. In ihrem Rahmen wurde 1950 der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA) gegründet als „eine ständige Einrichtung … zur Förderung und Pflege der Ökumene in Lehre und Forschung“. Er setzt sich vornehmlich aus Lehrkräften der Fakultäten, Ökumenischen Instituten und sonstigen theologischen Ausbildungsstätten der ACK-Kirchen zusammen (zur Geschichte siehe: Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA). Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Frankfurt am Main 2010). Innerhalb dieses Gremiums sind in den vergangenen Jahren folgende Forschungsprojekte betrieben worden:

  • Die Frage nach Gott heute (2009 bis 2019). Nachdem frühere Projekte des DÖSTA (wie der Dialogökumene generell) sich vor allem mit Themen befassten, die zwischen den getrennten Kirchen (noch) theologisch kontrovers sind, wurde mit diesem Projekt der Versuch gemacht, als multilaterale Ökumene gemeinsam ein Thema zu bearbeiten, das allen Kirchen durch die sie umgebende säkulare Gesellschaft gestellt wird. Nicht nur die aggressive Polemik des sog. „Neuen Atheismus“ (Richard Dawkins u.a.), sondern auch die vor allem in Ostdeutschland verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber jedem Gottesglauben stellen die Christen aller Konfessionen vor die Herausforderung, in einer Weise von Gott zu reden, die als relevant erlebt werden kann. Die Mitgliederversammlung der ACK hatte deshalb den DÖSTA gebeten, dazu eine Studie zu erarbeiten. In dieser Studie wird die gemeinsame Grundhaltung der christlichen Konfessionen folgendermaßen beschrieben: Leben in christlicher Perspektive gestaltet sich im stets aktuellen Fragen nach Gott, wenn die biblisch bezeugte »große Geschichte Gottes« mit der je eigenen Biographie verbunden wird. Wenn in der Studie von Trinität, Gottes Menschwerdung in Jesus Christus, seiner Erfahrbarkeit im Sakrament und seiner Verborgenheit im Leiden, vom Verständnis des Gebets und vom Wirken Gottes in der Geschichte gesprochen wird, so wird zugleich gezeigt, wie gerade diese klassischen christlichen Denktraditionen die Erfahrbarkeit des lebendigen Gottes thematisieren. In der Studie geschieht das in vier Schritten von der Gotteserfahrung über die Gottesbegegnung und die Gottessuche schließlich zum Gotteswirken in der Geschichte. In der 547 Seiten umfangreichen vollständigen Ausgabe der Studie (als Beiheft zur Ökumenischen Rundschau Nr. 111 im J. 2017 erschienen) können auch die Einzelaufsätze nachgelesen werden, aus denen der gemeinsame Text erarbeitet wurde. Zwei Jahre später wurde der Text der Studie ohne die Materialien, die in Beihefte zur Ökumenischen Rundschau Nr. 111 enthalten sind, als Taschenbuch noch einmal veröffentlicht.  
  • 500 Jahre Reformation in der Vielfalt ökumenischer Perspektiven (2015-2016). Zur Vorbereitung auf das 500. Gedenkjahr des Beginns der Reformation im Jahr 1517 führte der DÖSTA zusammen mit der Katholischen Akademie in Bayern und der Evangelischen Akademie Tutzing im Frühjahr 2015 ein mehrtätiges Symposion durch, das auch von der Evangelisch-Theologischen und der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie der Einrichtung für orthodoxe Theologie der Ludwig-Maximilians-Universität München mitgetragen worden ist. Aus dieser Tagung ist der Band „Heillos gespalten? Segensreich erneuert?“ (Quaestiones Disputatae 277), Freiburg i.Br. 2016, erwachsen. Im Zentrum stehen theologische Fragen, die sich aus den historischen Prozessen ergeben. Die theologische Fachdiskussion gruppiert sich um drei Themenzentren: Erstens sollte die Frage nach der Rechtfertigung durch den Glauben in multilateraler Perspektive so aufgenommen werden, dass der Stand des ökumenischen Konsenses differenziert beschrieben werden kann, einschließlich seiner Entwicklungschancen. Zweitens sollte die Freiheitsthematik diskutiert werden, und zwar unter individuellen wie sozialen und ekklesialen Aspekten. Drittens sollten Notwendigkeiten und Prozesse von Kirchenreformen in verschiedenen Konfessionen diskutiert werden. In jedem Themenkreis werden sowohl verschiedene theologische Disziplinen als auch verschiedene Konfessionen versammelt, so dass ein Gespräch möglich wird, in dem die Ökumene der theologischen Vertiefung dient. 

  • Eschatologie: Unsterblichkeit – Jüngstes Gericht – Vollendung (2010 bis 2013). Die Zukunftsbotschaft des Evangeliums wird von den christlichen Kirchen im Wesentlichen gemeinsam vertreten. Im näheren Verständnis dieser Botschaft gibt es jedoch erkennbare Unterschiede, wenn nicht gar Gegensätze. Man muss den christlichen Kirchen also die Frage stellen, ob und inwiefern sie eine gemeinsame Hoffnung über den Tod hinaus bezeugen können. Darum veranstaltete der DÖSTA zu dieser Frage im November 2010 ein Theologisches Symposium in Zusammenarbeit mit der evangelisch-theologischen und der katholisch-theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Mit diesem Symposium wurde zugleich das 60-jährige Bestehen des DÖSTA gefeiert. Es versuchte zu klären, wie weit die Gemeinsamkeit in der Erwartung der „Letzten Dinge“ reicht und welches Gewicht die Unterschiede haben. Die neun auf dem Symposium gehaltenen Vorträge wurden für den Druck erweitert und um drei Aufsätze erweitert, die von den Herausgebern zur thematischen Ergänzung erbeten worden waren. Die drei Themenbereiche des Symposiums sind in der 2013 erschienenen Veröffentlichung nach einem doppelten Kreuzungssystem gegliedert. In jeder Sektion kommen erstens sowohl die systematische als auch die biblische Theologie zur Sprache, aber auch zweitens immer Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Konfessionen.
  • Das kirchliche Traditionsverständnis (2005 bis 2013). Darin, dass der christliche Glaube in der ursprungstreuen Weitergabe des Evangeliums von Jesus Christus gründet, sind sich alle christlichen Konfessionen einig. Es haben sich jedoch unterschiedliche Formen entwickelt, in denen sich diese Weitergabe vollzieht, unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Bedingungen für eine authentische Verkündigung erfüllt sein müssen, unterschiedliche Verfahren und Instanzen für den verantwortlichen Umgang mit den geschichtlich gewachsenen kirchlichen Traditionen. Zugleich stehen alle Kirchen in modernen Gesellschaften gemeinsam vor dem Problem des Traditionsabbruchs. Es stellt sich die grundlegende Frage, wie Kirchen ihre Identität im geschichtlichen Wandel wahren können. Im Mittelpunkt des Projekts stand die Aufgabe darzustellen, wie die einzelnen Konfessionen mit dieser Fragestellung umgehen; vertiefend wurde die Thematik zusätzlich durch Beiträge aus kulturwissenschaftlicher, philosophischer, soziologischer, exegetischer und historischer Sicht erschlossen. Die daraus im Jahre 2010 entstandene Studie bündelt die gewonnenen gemeinsamen Einsichten und benennt auf dieser Basis die Felder, die noch weiterer Bearbeitung bedürfen. Wegen ihrer hohen ökumenischen Bedeutung widmete die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland der DÖSTA-Traditionsstudie im Herbst 2012 einen Studientag und gab in diesem Zusammenhang die Studie (verbunden mit einem einleitenden Vortrag und mehreren kirchlichen Rückmeldungen) als Broschüre erneut heraus.

Stichwörter: Ökumenische Theologie, Neuer Atheismus, Gottesfrage, Eschatologie, Unsterblichkeit, Jüngstes Gericht, Vollendung, Tradition, Schrift und Tradition, Traditionskritik, Traditionsfortschreibung.

Publikationen:

  • Ulrike Link-Wieczorek / Uwe Swarat (Hrsg.): Die Frage nach Gott heute. Neue ökumenische Zugänge zu klassischen Denktraditionen. Eine Studie des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2019, 141 Seiten. 
  • Ulrike Link-Wieczorek / Uwe Swarat (Hrsg.): Die Frage nach Gott heute. Ökumenische Impulse zum Gespräch mit dem „Neuen Atheismus“ (Beihefte zur Ökumenischen Rundschau Nr. 111), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017, 547 Seiten.
  • Uwe Swarat / Thomas Söding (Hrsg.): Heillos gespalten? Segensreich erneuert? 500 Jahre Reformation in der Vielfalt ökumenischer Perspektiven (Quaestiones Disputatae 277), Freiburg i.Br.: Herder 2016, 327 Seiten. 
  • Uwe Swarat / Thomas Söding (Hrsg.): Gemeinsame Hoffnung – über den Tod hinaus. Eschatologie im ökumenischen Gespräch (Quaestiones disputatae 257), Freiburg i. Br.: Herder 2013, 294 Seiten.
  • „Tradition“ im ökumenischen Gespräch. Von konfessionellen Klischees und ihrer Durchbrechung. Dokumentation eines Studientages der ACK in Deutschland, Frankfurt am Main: Ökumenische Centrale o. J. (2013), 100 Seiten.
  • Oberdorfer, Bernd / Swarat, Uwe (Hrsg.): Tradition in den Kirchen. Bindung, Kritik, Erneuerung (Beiheft zur Ökumenischen Rundschau Nr. 89), Frankfurt am Main: Lembeck 2010, 375 Seiten.
Glauben, Denken, Handeln