"Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft"

Vom 06.-07. Dezember fand im Evangelischen Kirchenforum an der Parochialkirche (Berlin-Stadtmitte) die internationale Tagung "Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft - Freikirchliche Perspektiven auf das Verhältnis von Kirche und Staat" statt. Veranstalter war das Berliner Institut für vergleichende Staat-Kirche-Forschung in Kooperation mit der Theologischen Hochschule Elstal. Die Geschichte der Freikirchen ist von jahrhundertelangen Kämpfen um religiöse und bürgerliche Freiheit geprägt. Forderungen nach Glaubensfreiheit, nach Trennung von Staat und Kirche und nach einer religiös neutralen Staatsordnung waren ursprünglich radikale  Außenseiterpositionen. Zwölf Referenten aus Deutschland, Großbritannien und Polen spannten einen weiten historischen und geographischen Bogen von den frühen Täufern und Baptisten bis hin zu freikirchlichen Positionen der Gegenwart.

Einer der Höhepunkte der Tagung war ein Abendvortrag des prominenten baptistischen Theologen Curtis W. Freeman (Duke University, Durham, NC) mit dem Titel „The Wall of Separation: Church and State in the United States of America“. In den Vereinigten Staaten sind alle Kirchen „Freikirchen“ – die bevorzugende Unterstützung bestimmter Kirchen und Religionsgemeinschaften durch den Staat, wie sie in vielen Staaten der Welt noch zu beobachten ist, ist durch den 1791 verabschiedeten Ersten Zusatz zur Verfassung der USA verboten. Die praktische Umsetzung der Trennung von Staat und Kirche war allerdings auch in Amerika ein langwieriger Prozess, denn auch dort bestanden um 1800 – ähnlich wie im zeitgenössischen Europa – in den meisten Bundesstaaten noch protestantische Staatskirchen. Eine wichtige Rolle spielten dabei pragmatische Koalitionen zwischen aufklärerischen Politikern wie dem US-Präsidenten Thomas Jefferson und den Baptisten, die ursprünglich nur eine kleine Minderheit unter den amerikanischen Denominationen darstellten. Jefferson stimmte in einem berühmten Brief von 1802 dem baptistischen Grundsatz bei, wonach Religion eine Angelegenheit zwischen Mensch und Gott sei, für die der Staat nicht zuständig sei.

In der amerikanischen Revolution hatten baptistische Theologen und Publizisten wie Isaac Backus und John Leland die Grundsätze der uneingeschränkten Religionsfreiheit als angeborenem und unveräußerlichem Freiheitsrecht aller Menschen propagiert. Sie beriefen sich dabei auf das Denken des frühen amerikanischen Theologen Roger Williams, der in den 1630er Jahren in Rhode Island den ersten demokratischen Staat der Neuzeit gründete. Williams, der auch die erste Baptistengemeinde auf amerikanischem Boden mitbegründete, vertrat die Auffassung, dass die gesamte Staatsordnung religiös neutral, der gesamte Bereich des Glaubens und der Religionsausübung dagegen eine Sache der Freiheit sein müsse. John Leland gelang es in den 1790ern, Politiker wie James Madison für diese Gedanken zu gewinnen. Mit der Trennung von Staat und Kirche wurden die USA wegweisend für die politische Kultur der Moderne. Es kam zu einer ungeahnten Blüte von Religion unter den Bedingungen der Freiheit – einschließlich von allerlei Wildwuchs. Anhand von Beispielen aus neuester Zeit machte Professor Freeman deutlich, dass Religionsfreiheit auch missbraucht werden kann, nämlich dann, wenn religiöse Menschen aus der Religionsfreiheit das Recht ableiten, andere Menschen zu diskriminieren.

 

Einen detaillierten Artikel zur Tagung findet sich auf der Seite der VEF (Quelle APD):
www.vef.de/meldungen/eine-freie-kirche-in-einer-freien-gesellschaft/

Glauben, Denken, Handeln