Mission

Die Missiologie beschäftigt sich konzentriert mit der Frage der Sendung der Kirche in Gesellschaft und Welt. Natürlich geht es dabei auch um die christliche Begegnung mit den Religionen und um die Herausforderungen der nachkolonialen Weltmission. Doch legt der missiologische Unterricht an der Theologischen Hochschule Wert auf die  theologische und praktische Relevanz von Mission im Kontext einer normalen deutschen Gemeinde. Das Missionsverständnis orientiert sich dabei an Jesu Mission (Joh. 20, 21), dessen Leben und Dienst von diakonischen (Heilungen) und evangelistischen (Reich-Gottes-Gleichnisse, Umkehrruf) Akzenten geprägt war. Doch geht es nicht nur um spezielle Aktivitäten der Kirche in ihrem Umfeld, sondern auch um ihr missionarisches Sein, d.h. ihre grundsätzliche missionale Prägung als Gegenwart und Zeichen des Evangeliums mitten unter den Menschen.

Im Nachdenken darüber, wie die Gemeinde missionarisch aktiv werden kann, sind drei missiologische Grundfragen leitend:

1. Entspricht das missionarische Sein und Tun der Gemeinde dem Evangelium?

2. Entspricht das missionarische Sein und Tun der Gemeinde ihrem eigenen Charakter und den Menschen in ihr als der Trägerin der Mission?

3. Entspricht das missionarische Sein und Tun der Gemeinde den tatsächlichen Herausforderungen, dem Kontext, der Menschen im Umfeld der Gemeinde?

An diese missiologische Fragestellungen werden die Studierenden im ersten Studienjahr in der Vorlesung "Einführung in die Missiologie" herangeführt. Hier erhält man einen Überblick über die grundsätzlichen missiologischen Theorien, die das missionarische Sein und Tun von Kirche seit über 100 Jahren prägen. Darüber hinaus bekommt man ein Gespür für die kulturelle und zeitbedingte Prägung von Mission: Wie kann Kirche ihre kulturelle Prägung erkennen und wertschätzen? Wo muss sich die christliche Mission vom Evangelium her gegen bestimmte Kulturprägungen sperren? Was für Auswirkung hat das für den Erfolg (oder Misserfolg) christlicher Mission? Welche Missionsmethode ist in welchem Kontext angemessen? In Praktika an missionarischen und diakonischen Brennpunkten kann man die missiologischen Vorkenntnisse dann lebensmäßig erproben.

In den missiologischen Seminaren und Vorlesungen werden in einer gesunden Mischung grundsätzliche und praktische Fragen vertieft. In einem Semester fragt man nach den biblischen Wurzeln der Missiologie, in einem anderen beschäftigt man sich mit der Geschichte der christlichen Mission. Der rote Faden in den missiologischen Veranstaltungen ist die Frage nach der angemessenen Kontextualisierung. Beim Seminar „Interkulturelle Kommunikation/Internationale Gemeinden“ entdeckt man die Praxisrelevanz der Thematik bei Besuchen in Migrationsgemeinden im Berliner Raum. Ähnliche Praxisnähe erlebt man in den Seminaren „Gemeindeentwicklung“ oder „Gemeindegründung“, wo neben der Kenntnisnahme und Diskussion von theoretischen Entwürfen auch Seminarbesuche vor Ort konsequent eingeplant sind. Ein wesentliches Ziel von Gemeindegründung und Gemeindeentwicklung ist es, Gemeinde so zu gestalten, dass sie ihre Sendung sich selbst, dem Umfeld und dem Evangelium gegenüber angemessen leben kann. Dass man angesichts der rasanten Veränderungen in unserer Gesellschaft dadurch immer wieder in Konflikt gerät mit altbewährten Strukturen und Methoden, regt die Seminargemeinschaft zu interessanten Diskussionen an. Wie leitet man Gemeinde, wie verändert man sie - ohne den Mitchristen Gewalt anzutun und ohne die Vision einer missionarisch offenen Gemeinde aus den Blick zu verlieren? An welchen geschichtlichen Erfahrungen und aktuellen Modellen können wir uns orientieren?

Zu unserem Kontext gehören auch die Herausforderungen durch die Religionen, denen man nicht nur im fernen Missionsland begegnet, sondern auch in deutschen Städten. In Lehrveranstaltungen über die Theologie der Religionen über den Islam oder die Indische Religiosität wird ein Bewusstsein für andere Überzeugungen und Einstellungen vermittelt. Welchen Weg gehen wir im Disput zwischen Mission und Dialog? Wie sieht das christliche Zeugnis in Tat und Wort aus, das sich selbst treu bleibt, aber dennoch ganz bei dem Anderen ist? Der Unterricht will die Religionen fair und realistisch darstellen und dann zu einem angemessenen christlichen Standpunkt kommen. Es gilt, Wege der Mission zu finden, dass man den Menschen respektvoll begegnet und ihnen doch das Evangelium bezeugt.

Eine wesentliche Berufung der Gemeinde ist die Evangelisation: das worthafte Zeugnis vom rettenden Evangelium in unserer Welt. Keine andere Instanz in Welt und Gesellschaft übernimmt diese Aufgabe. Hier liegt die genuine Berufung der christlichen Gemeinde. Darum werden in der Vorlesung "Theologie und Praxis der Evangelisation" konzentriert theologische und praktische Aspekte der Evangelisation dargestellt und mit den Studierenden diskutiert. Es gehört ja mit zu den zentralen Aufgaben der Pastorin und des Pastors, dass sie Menschen zu Christus führen oder ihren Gemeindegliedern zeigen, wie man das respektvoll und gut macht.

Da die moderne Missiologie vor allem im angelsächsischen Raum geprägt wurde und wird, müssen sich Studierende, die im Master-Studiengang das Fach "Mission und Diakonie" wählen und sich hier besonders auf missiologische Fragestellungen konzentrieren wollen, mit englischsprachiger Literatur beschäftigen. Eine sprachliche und gedankliche Herausforderung ist aber auch die Auseinandersetzung mit deutschen kultur-philosophischen und soziologischen Entwürfen (u.a. Sundermeier: Konvivenz, Xenologie). So erweitert man allein schon im sprachlichen Mühen seinen eigenen Horizont, dringt in Gedanken und Erfahrungen fremder Welten ein und kann mit einer anderen Sichtweise den missionarischen Herausforderungen des eigenen Kontextes begegnen.

Glauben, Denken, Handeln