Geschichte des Theologischen Seminars

Die Anfänge des Predigerseminars (1849-1887)

Die Ausbildung von Predigern sei notwendig, nützlich und wünschenswert- so formulierte es 1879 der Berliner Joseph Lehmann. Er hatte als erster Baptist Theologie an der Friedrich-Wilhelm-Universität (Humboldt-Universität) und in England studiert und war seit einigen Jahren an der Seite seines Vaters Gottfried Wilhelm Lehmann, des Gründers der preußischen Baptistengemeinden, im Gemeindedienst tätig. Eines seiner Argumente für sein Plädoyer vor der Bundeskonferenz 1879: "Ausbildung wehrt der Einbildung".

Führende Vertreter der ersten Generation hatten dies noch ganz anders gesehen. Ihre Sorge lautete: Je gelehrter, desto verkehrter. In diesem Urteil hatten sich wenig erfreuliche Erfahrungen niedergeschlagen, die die missionarisch überaus aktiven Baptisten als freikirchliche Laienbewegung mit der landläufigen Kirchlichkeit und Theologie hatten machen müssen. Im damaligen staatskirchlichen Kontext hatten viele schon die Gründung der ersten Baptistengemeinde 1834 in Hamburg als Skandal empfunden.

So war es auf der 1. Bundeskonferenz der jungen Freikirche 1849 lediglich zu dem Beschluss gekommen: "Nur wo es angeht, soll ein Unterricht in den nötigsten Dingen stattfinden, damit die Missionssendlinge die Fähigkeit erlangen, sich richtig und gehörig auszudrücken.“ Um der Herausbildung eines akademischen Berufsstandes zu wehren, wurde ein Kursussystem eingeführt; dessen Lehrgänge nur 4 bis 7 Monate dauerten. Die eher sporadisch vor allem von den Pionieren Johann Gerhard Oncken und Julius Köbner angebotenen Kurse genügten jedoch bald nicht mehr.

Im Jahr 1876 anerkannte die Bundeskonferenz einstimmig die "Notwendigkeit und den Segen einer Missionsschule", denn zukünftige Verkündiger benötigten "gründliche Schrifterkenntnis, nötige Selbsterkenntnis und die Erfahrung im Gemeindeleben", aber auch "Kenntnisse und Fähigkeiten, welche in dieser Zeit der geförderten Bildung für einen Prediger ganz unerlässlich sind." Oder, um nochmals J. Lehmann zu zitieren: "Die Ausbildung der Prediger bedarf selber noch sehr der Ausbildung." Damit waren endgültig die Gleise gelegt zum Beschluss von 1879, eine „permanente Predigerschule“ einzurichten.

Man begann 1876 zunächst in Dachräumen der Gemeinde Hamburg-Böhmkenstraße. Aufgenommen wurden solche, "die von ihren Gemeinden auf's Beste empfohlen" wurden. Dem Beschluss von 1879 folgend, nahm am 4. Oktober 1880 die „Missions- und Predigerschule“ als ihre Arbeit mit 6 Seminaristen und einem Lehrer auf. Die zunächst zweijährige Studienzeit verlängerte man bereits 1882 auf vier Jahre, nun auch mit zwei vollzeitlichen theologischen Lehrkräften. Angesichts mangelnder Bildung - höhere Schulbildung war in den Freikirchen eher die Ausnahme und das Prinzip des allgemeinen Priestertums führte zumeist Handwerker, Bauern und andere ans Seminar - mussten neben den theologischen Disziplinen auch grundlegende Kenntnisse in allgemeinbildenden Fächern wie deutsche Sprache, Lesen und Schreiben, Weltgeschichte, aber auch Englisch und Geometrie erworben werden. Hierzu sicherte man sich die Dienste von Schullehrern in der Nachbarschaft.

Der Aufbau des Predigerseminars in Hamburg-Horn (1887-1945)

Zeitgleich wurde der Bau der permanenten Predigerschule vorangetrieben. Über den Standort gab es einen Disput zwischen Hamburg und Berlin; die Mehrheit der Gemeindevertreter votierte für die Hansestadt. 1887 erwarb man ein Grundstück an der Rennbahnstraße in Hamburg-Horn, übrigens ein Geschenk von John D. Rockefeller. Dort errichteten die deutschen Baptisten 1888 ein schmuckes Seminargebäude "im Schweizer Stil". Die Zahl der "Seminaristen" nahm kontinuierlich zu. 1913 waren es bereits 67. Das Bildungsangebot wurde ausgedehnt und der Lehrbetrieb differenzierter. Neben den biblischen Sprachen und Englisch traten die Forderungen nach Seelsorge, Symbolik und Apologetik, dazu noch Volkswirtschaftslehre, Rechtskunde und sogar "parlamentarische Ordnung". In Folge dessen wurden eine Aufstockung des Lehrkörpers (zunächst auf drei, dann auf vier) und 1914 eine Erweiterung um ein zweites Haus erforderlich. Diesmal ein Geschenk von Kommerzienrat H. Renner. Das ältere Gebäude musste 1934 der Autobahn Hamburg-Lübeck/Berlin weichen. Es entstand ein Ensemble von Lehrgebäude, Aula und Internat. "Drei stattliche Häuser ragen nun draußen am Horner Moor, das Alte ist zerschlagen und Schönres wuchs empor" - dichtete der damalige Verwaltungsdirektor Carl Schneider.

Im Jahr 1930 erfolgte eine weitere Studienreform. Inzwischen waren neue Fächer hinzugekommen; darunter Philosophie, Logik, Psychologie, Pädagogik. Das Studium wurde, wie heute noch Standard, auf fünf Jahre hin ausgedehnt.

Das Ensemble des Seminars wurde 1943 durch die Bombardierung Hamburgs vollständig zerstört und lag bis 1947 in Schutt und Asche. Während dieser Zeit war das Predigerseminar gastweise in der Bibelschule Wiedenest im Oberbergischen untergebracht, einer Einrichtung der Brüderbewegung, mit der sich die Baptistengemeinden 1941 zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden zusammengeschlossen hatten.

Innerdeutsche Teilung und das Seminar in Buckow

Der Wiederaufbau des Seminars erfolgte in den Jahren 1948-51. Etwa zeitgleich wurde als Alternative zu Hamburg in den Jahren 1948/49 in der Schweiz ein internationales baptistisches Seminar gegründet (Rüschlikon, seit 1995 in Prag, seit 2014 Amsterdam). Im Jahr 1961 wurde das Seminar in Hamburg erneut erweitert und anschließend mehrfach saniert. Das Prediger Seminar in Hamburg-Horn bot damit über 60 Jahre Raum für das gemeinsame Studieren und Leben einiger hundert angehender Pastoren, die sich dort für den Dienst in Deutschland und in verbundenen baptistischen Unionen vor allem Osteuropas ausbilden ließen.

Bedingt durch die Teilung des Landes konnten seit 1959 keine Studenten aus der DDR in Hamburg aufgenommen werden. Dies führte zur Gründung eines eigenen Theologischen Seminars in der DDR. Als Standort wurde die Messestadt Leipzig auserkoren. Dieser Standort wurde jedoch durch den Vertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen mit der Bemerkung abgelehnt: "Sie haben doch ein Haus in Buckow; dieses Erholungsheim der Bethel-Diakonissen. Dorthin können Sie doch mit ihrem Predigerseminar erst einmal gehen!" So kam es, dass das Predigerseminar Am 14. Oktober 1959 im Haus Bethel in Buckow (Märkische Schweiz) seine Arbeit mit acht Studenten und zwei Dozenten aufnahm. Siebenundzwanzig Jahre lang war das Predigerseminar und spätere Theologische Seminar "vorübergehend" im Diakonissenhaus untergebracht, in dem gleichzeitig die kleine Buckower Baptistengemeinde ihre Heimat hatte. Die Studenten wohnten mit Ruhestandsschwestern auf einem Flur und wurden von Diakonissen bekocht und versorgt. Nach sechsjähriger Bauzeit wurde 1986 das neue Seminargebäude bezogen. Es war unter großen Opfern von den DDR-Gemeinden gebaut und finanziert worden.

Die klare Trennung von Kirche und Staat hatte die positive Kehrseite, dass es den staatstragenden Kräften nicht möglich war, Einfluss auf den Lehrplan oder auf die Lehrinhalte im Buckower Seminar geltend zu machen. Was innerhalb der Kirche, das heißt hier innerhalb des Seminars geschah, war ausschließlich Sache der kirchlichen Leiter. In Buckow konnte in wirklich freier Atmosphäre miteinander über Staat und Politik geredet werden.

Adolf Pohl (Neues Testament und Dogmatik) und Erich Rädel (Altes Testament und Geschichte) wurden die ersten beiden hauptamtlichen Dozenten, als am 14. Oktober 1959 der Lehrbetrieb in Buckow aufgenommen wurde. Von staatlicher Seite war die Studentenzahl auf sechzehn limitiert. Trotzdem waren Gaststudenten immer willkommen.

Weichenstellung für das Bildungszentrum (1968-1990)

1968 taucht erstmals der Gedanke an ein eigenes Frauenseminar mit diakonischer Zielsetzung auf. Bereits 1969 wurde in Buckow Frauen der Zugang zum regulären Theologiestudium ermöglicht – Hamburg zog im Jahr 1974 nach.

Die Ausbildung von "Jugendschwestern" war dann eines der Hauptmotive für die Gründung des Jugendseminars, das sich seit 1949 der nebenberuflichen Ausbildung junger Leute widmete, aber auch Kurse für Predigthelfer veranstaltete. Diese Aufgaben finden sich bis heute im Ausbildungskonzept des Bildungszentrums Elstal und seiner einzelnen Institute wieder. Seit 1960 beherbergte ein eigenes Gebäude in Hamburg-Horn das Jugendseminar und das Gemeindejugendwerk des Bundes, das dank seiner ausgebauten Regionalstruktur vielfältige Schulungsangebote vor Ort anbieten konnte.

Im Jahr 1960 wurde auf dem Hamburger Gelände eine Bibel- und Missionsschule angesiedelt, die ihren Schwerpunkt auf die Ausbildung von Frauen und die Vorbereitung auf missionarisch-diakonische Tätigkeiten legte. Nach langwierigen Grundsatzüberlegungen wurde die Bibel- und Missionsschule 1968 als "Missionsseminar" in das fortan als Theologisches Seminar firmierende Gesamtinstitut integriert. Dieser erste Anlauf zu einer größeren Ausbildungskonzeption, wurde jedoch bereits 1972 wieder abgebrochen. Ab 1970 war eine Veränderung des Selbstverständnisses des Seminarbetriebs zu beobachten, deren Wurzeln schon in den 60er Jahren liegen. Die Entwicklung ging in Richtung theologische Hochschule; man sprach jetzt von Dozenten, Studentenschaft, Seminaren. Man begann, sich zunehmend vom schulischen System zu verabschieden.

Wiedervereinigung und Akkreditierungsversuche (1990-1997)

Im Herbst 1991 kam es dann mit der deutschen Wiedervereinigung auch zur Vereinigung der Seminare aus Buckow und Hamburg. So studierten nun knapp 90 Studierende in Hamburg. Die Örtlichkeiten in Hamburg waren für diese Studierendenzahlen nicht ausgelegt, so dass ein Standortwechsel in Betracht gezogen wurde.

Zwischenzeitlich führten die Erfahrungen von Absolventen, die ihren Beruf wechselten, weiterstudieren wollten oder sonst aus dem Dienst ausschieden, zur Notwendigkeit eines staatlich anerkannten Abschlusses. Daher unternahm das Theologische Seminar 1995 einen ersten Vorstoß beim Hamburger Senat, den Status einer Fachhochschule zu erlangen. Die Antwort war klar und negativ und so wurde im Jahr 1996 unter Vermittlung des Spurgeon's College in London ein Kooperationsabkommen mit der University of Wales geschlossen. Dies ermöglichte es, Studierenden nach dem dritten Studienjahr ein “Bachelor of Theology (Honours)“-Degree und nach dem Abschluss des fünfjährigen Studiums einen “Master of Theology“-Abschluss zu verleihen.

Umzug des Theologischen Seminars nach Elstal und institutionelle Anerkennung als Hochschule (1998-2015)

Ein Jahr später erfolgte der Umzug des Theologischen Seminars von dem inzwischen zu klein gewordenen Gelände in Hamburg-Horn auf einen neu gestalteten Campus in Elstal, Wustermark, im Land Brandenburg. Dieser wurde bewusst als Bildungszentrum konzipiert, zu dem unterschiedliche Institute für die Aus- und Weiterbildung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter gehörten.

Im Verlauf des Jahres 2001 wurden Kontakte zum Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg in Potsdam aufgenommen, um einen erneuten Vorstoß für die Anerkennung des Seminars als Fachhochschule zu unternehmen. Im Jahre 2003 wurde das Theologische Seminar dann auch tatsächlich von der Landesregierung als Fachhochschule in privater Trägerschaftstaatlich anerkannt. Der Name änderte sich in “Theologisches Seminar Elstal (Fachhochschule)“. Damit wurde der seit den 70er Jahren kontinuierlich fortschreitende Wandel von einer Missionsschule zu einer theologischen Hochschule institutionell besiegelt. In den folgenden Jahren erlangte das Theologische Seminar Elstal die institutionelle Akkreditierung als Hochschule durch den Wissenschaftsrat (2007, Reakkreditierung 2013). Nachdem der Wissenschaftsrat die Hochschule reakkreditiert hatte, sprach das Landesministerium im Oktober 2015 die unbefristete staatliche Anerkennung der Elstaler Fachhochschule aus. Auch die drei Studiengänge (Bachelor- und Masterstudiengang Evangelische Theologie sowie Masterstudiengang Freikirchliche Diakonie) wurden von der Agentur für Qualitätssicherung AQAS akkreditiert (2009) und reakkreditiert (2016, ohne Auflagen).

Nach der institutionellen Reakkreditierung durch den Wissenschaftsrat hat sich das „Theologische Seminar Elstal (Fachhochschule)“  in Absprache mit dem Präsidium des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und mit Genehmigung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg am 01.04.2015 umbenannt in „Theologische Hochschule Elstal“.

Dem vorliegenden Text liegen folgende Arbeiten zugrunde:

  • Prof. Dr. Wiard Popkes „Geschichte des Theologischen Seminars 1880-2005“ in der Festschrift "125 Jahre Theologisches Seminar" (2005)
  • Dr. Stefan Stiegler: Die erzwungene Tradition des Seminars in Buckow 1959-1991
  • Günter Balders: Geschichte des Theologischen Seminars 1880-1997
Glauben, Denken, Handeln